
FIFA-Kongress in Paraguay Palästinensischer Verband scheitert mit Ruf nach Entscheidung über Israel
Der palästinensische Fußballverband (PFA) hatte 2024 einen Antrag auf Sanktionen gegen Israels Verband bei der FIFA eingebracht - eine Entscheidung darüber gibt es ein Jahr später noch nicht, und sie wird vorerst weiter ausstehen.
Beim FIFA-Kongress im Mai 2024 in Bangkok kam es zu einer kurzen aber hitzigen Diskussion, durch die der Nahostkonflikt plötzlich für einige Minuten im Mittelpunkt der Welt der Fußballfunktionäre stand. Die PFA hatte einen Antrag gestellt, der zu Sanktionen gegen Israels Verband IFA führen sollte. Die Präsidenten des palästinensischen und des israelischen Verbands hielten Ansprachen, es kam zu mehreren Wortmeldungen anderer Verbände, bis FIFA-Präsident Gianni Infantino die Debatte beendete. Infantino verwies damals darauf, dass der Kongress, die Versammlung aller 211 Mitgliedsverbände weltweit, nicht für das Thema zuständig sei. Der FIFA-Rat sollte entscheiden.
FIFA fordert erneut Zeit - zuständige Kommission frisch neu gewählt
Der FIFA-Rat beauftragte in der Folge Anfang Oktober 2024 eine rechtliche Analyse. Danach wurde die "Governance-, Audit- und Compliance-Kommission" der FIFA im Oktober 2024 beauftragt, einen entscheidenden Vorwurf der PFA zu untersuchen: Findet in Siedlungsgebieten ein israelischer Spielbetrieb auf dem Gebiet des palästinensischen Verbands im Westjordanland statt? Die Antwort auf diese politisch sensible Frage steht ein Jahr nach dem Antrag aus. Die PFA wollte nun beim FIFA-Kongress am Donnerstag in Paraguays Hauptstadt Asunción eine schnellere Entscheidung einfordern.

FIFA-Präsident Gianni Infantino spricht beim Kongress des Weltverbands in Bangkok
Die palästinensische Verbandsvertreterin Susan Shalabi wies in Asunción darauf hin, dass das Thema auch nach einem Jahr nicht geklärt ist. "Lasst uns nicht noch ein Jahr warten", sagte sie. Doch Generalsekretär Mattias Grafström beendete das Thema schnell. Die besagte zuständige Kommission wurde wenige Minuten vor dem Antrag neu gewählt. Nun solle das Gremium, das "unabhängig" arbeite, die Chance bekommen, sich bei dem komplexen Thema zu informieren. Er stellte eine "effiziente Arbeit" in Aussicht.
Gazakrieg im Antrag vom Vorjahr nur nachrangig Thema
Bei dem Anschlag der palästinensischen Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober 2023 wurden rund 1.200 Menschen ermordet, zahlreiche weitere entführt und teilweise bis heute als Geiseln festgehalten. Im Anschluss begann Israel als Reaktion eine Militäroffensive im Gazastreifen mit dem Ziel, die Hamas zu zerstören und die Geiseln zu befreien. Seit Monaten gibt es aber international Kritik an einer fehlenden Verhältnismäßigkeit der Kampfhandlungen, die humanitäre Lage im Gazastreifen gilt als katastrophal. Das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium in Gaza zählt mittlerweile mehr als 50.000 getötete Menschen.
Im FIFA-Kongress 2024 war das militärische Vorgehen Israels für die PFA jedoch nur ein Anlass für den Antrag, in den Details geht es vor allem um Themen wie eben jenen Spielbetrieb in den israelischen Siedlungen im Westjordanland. Mehrere Menschenrechtsorganisationen sehen einen unrechtmäßigen Spielbetrieb belegt und forderten die FIFA im Oktober 2024 zum Handeln auf.
Unterschrieben waren der alte und der neue palästinensische Antrag von Verbandschef Jibril Rajoub. Rajoub ist neben seiner Tätigkeit beim Fußballverband Generalsekretär des Zentralkomitees der Fatah im Westjordanland und bezeichnete den Sport in einem Interview als "Teil unseres Widerstands".

Der palästinensische Verbandschef Jibril Rajoub beim FIFA-Kongress 2024 in Bangkok
Was sagt der israelische Verband zu den Vorwürfen?
Der israelische Verband weist die Behauptungen der PFA in dem Antrag als "unbegründet" zurück. "Wir haben nie gegen eine einzige FIFA-Regel verstoßen und werden dies auch nie tun", teilte die IFA auf Anfrage der Sportschau mit: "Daher wurden und werden dem israelischen Fußball nie Sanktionen auferlegt. Es ist eine Schande, dass es Menschen gibt, die die ehrenvolle Bühne des FIFA-Kongresses ausnutzen, um zu versuchen, viele und gute Menschen zu täuschen. Das wird auch diesmal nicht funktionieren."
Im Schlagabtausch auf der Bühne beim Kongress in Bangkok 2024 verwies Israels Verbandspräsident Moshe Zuares auf den Hamas-Terror vom 7. Oktober 2023. "Angesichts von Vergewaltigung, Misshandlung, Mord und Geiselnahme" sei es "ungerecht, dass wir für unser Grundrecht kämpfen müssen, Teil des Spiels zu sein". Zuares hat zuletzt eine einflussreiche Position eingenommen, er ist seit dem UEFA-Kongress in Belgrad im April Mitglied des UEFA-Exekutivkomitees.

Moshe Zuares, Präsident des israelischen Verbands beim FIFA-Kongress 2024 in Bangkok
Was ist anders im Vergleich zu Russland?
Beim UEFA-Kongress in Belgrad wurde UEFA-Präsident Aleksander Ceferin mit Bezug auf den Gazakrieg gefragt, wo der Unterschied zwischen Russland und Israel liege. Er antwortete: "Wenn ihr über Fußball sprecht, schaut auf die Tabellen. Wenn ihr über Politik sprecht, fragt nicht mich." Die Aussage zeigt, wie ungern Verbände Schiedsrichter in politischen Konflikten spielen. 2024 sagte UEFA-Generalsekretär Theodore Theodoridis, dass es in der UEFA "keine Diskussion über einen Ausschluss" Israels oder gar "die Absicht" dazu gebe. Mit Blick auf die aktuell weiter gültige Suspendierung russischer Teams verwies Theodoridis auf den vorangegangenen Angriff der Hamas auf Israel, was "eine komplett andere Situation" als bei Russland darstelle.

UEFA-Präsident Aleksander Ceferin
Ein grundsätzlich entscheidendes Detail bei der Behandlung der beiden Länder im Fußball liefert aber das Urteil des internationalen Sportgerichtshofs CAS, in dem die Suspendierung Russlands bestätigt wurde. Darin wird klar, dass die UEFA und die FIFA Russland nie für den Angriffskrieg gegen die Ukraine an sich bestraft haben. Stattdessen wurde die Suspendierung der russischen Teams mit Sicherheitsbedenken und der Gefährdung eines reibungslosen Spielbetriebs und damit der Integrität des Wettbewerbs begründet. Denn eine zweistellige Zahl europäischer Verbände hatte 2022 angekündigt, wegen des Angriffs auf die Ukraine nicht gegen Russland zu spielen. Eine solche Situation stellt sich mit Blick auf Israel derzeit nicht. Israel darf seine Heimspiele lediglich aus Sicherheitsgründen nicht zu Hause austragen, die Spiele finden zumeist in Ungarn statt.
Wie groß ist der Rückhalt im internationalen Fußball für Israel?
In Europa gibt es grundsätzlich viel Unterstützung für den israelischen Verband, der nach seinem Ausschluss aus der asiatischen Konföderation auf Umwegen 1991 zunächst vorläufiges, 1994 dann vollständiges UEFA-Mitglied wurde. Der DFB teilte nach dem Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober 2023 mit: "In dieser schwierigen Situation steht der Fußball in Deutschland fest an der Seite unserer Freunde und Partner in Israel." Zur Frage nach einer Entscheidung über den Spielbetrieb in den Siedlungsgebieten schrieb der DFB auf eine Anfrage der Sportschau: "Wir wollen dem Komitee die notwendige Zeit zubilligen, um diese Frage zu klären."

DFB-Präsident Bernd Neuendorf
Zuspruch erhält Israel grundsätzlich auch aus Teilen Südamerikas und Nordamerikas. Der palästinensische Verband bekommt für seinen Antrag vor allem in Asien Unterstützung. Der Regionalverband der westasiatischen Fußballverbände mit den in der FIFA einflussreichen Verbänden aus Katar und Saudi-Arabien verlangte in einer Mitteilung ebenfalls eine Beschleunigung des Vorgangs im FIFA-Rat.
Dem schloss sich der asiatische Verband mit FIFA-Vizepräsident Scheich Salman bin Ebrahim Al Khalifa aus Bahrain an der Spitze an. "Wir fordern, dass die zuständigen FIFA-Gremien die Angelegenheit prüfen und klare Entscheidungen treffen, da sich die Angelegenheit schon zu lange hinzieht", kritisierte Scheich Salman.
Aber auch in Europa gibt es vereinzelt Zuspruch. Norwegens Verbandspräsidentin Lise Klaveness - seit April Mitglied im UEFA-Exekutivkomitee - zeigte sich zuletzt an der Seite des palästinensischen Verbandschefs Rajoub. Nach dem FIFA-Kongress sagte sie norwegischen Medien, dass ihr Verband "solidarisch an der Seite des palästinensischen Fußballverbands" stehe. "Es liegt im Interesse der weltweiten Fußballgemeinschaft, dass diese Angelegenheit zeitnah und glaubwürdig gelöst wird."